Die Geltendmachung von Ansprüchen bei Insolvenz des versicherten Schuldners nach § 110 VVG

Einleitung

In der komplexen Welt des Versicherungsrechts stellt die Insolvenz eines Schuldners eine besondere Herausforderung dar. In der aktuellen Wirtschaftslage im Baugewerbe sind derzeit eine Vielzahl von Insolvenzen festzustellen. Was passiert also, wenn der Schuldner insolvent ist? Muss dann weiterhin von der Versicherung gezahlt werden? Außerhalb des KFZ Bereiches besteht jedenfalls kein direkter Anspruch des Gläubigers gegen den Versicherer.

  • 110 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) bietet eine Lösung, indem er den Schadensersatzberechtigten die Möglichkeit gibt, dann doch direkt gegen den Haftpflichtversicherer vorzugehen. Dieser Aufsatz untersucht die rechtlichen Mechanismen, die es ermöglichen, solche Ansprüche geltend zu machen, und analysiert die Schritte, die notwendig sind, um einen Schadensersatzanspruch bei Insolvenz des versicherten Schuldners erfolgreich durchzusetzen.
  1. Hintergrund und Bedeutung des § 110 VVG

Der § 110 VVG regelt den Direktanspruch des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schuldners im Falle von dessen Insolvenz. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass der Geschädigte trotz der Insolvenz des Schuldners nicht leer ausgeht. Normalerweise verpflichtet eine Haftpflichtversicherung den Versicherer, den Versicherungsnehmer von berechtigten Schadensersatzforderungen freizustellen. Im Falle einer Insolvenz des Versicherungsnehmers wäre diese Freistellung jedoch wirkungslos, da der Versicherungsnehmer selbst nicht mehr in der Lage wäre, seine Verpflichtungen zu erfüllen. Daher ermöglicht § 110 VVG dem Geschädigten, anstelle des Schuldners direkt den Versicherer in Anspruch zu nehmen.

  1. Voraussetzungen für die Geltendmachung des Anspruchs

Bevor ein Geschädigter den Anspruch gegenüber dem Haftpflichtversicherer geltend machen kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Eine dieser zentralen Voraussetzungen ist die bindende Feststellung des Schadensersatzanspruchs. Diese Feststellung kann auf drei verschiedene Weisen erfolgen:

  1. Schriftliches Anerkenntnis des Insolvenzverwalters: Eine der einfachsten Methoden zur Feststellung eines Schadensersatzanspruchs ist ein schriftliches Anerkenntnis durch den Insolvenzverwalter. In diesem Fall müsste der Geschädigte dem Insolvenzverwalter seine Forderung mitteilen und hoffen, dass dieser sie anerkennt. Sollte der Insolvenzverwalter die Forderung anerkennen, gilt der Anspruch als bindend festgestellt. Ein solches Anerkenntnis hat den Vorteil, dass es schnell und ohne Gerichtskosten erlangt werden kann. Allerdings besteht das Risiko, dass der Insolvenzverwalter das Anerkenntnis verweigert, insbesondere wenn Zweifel an der Berechtigung des Anspruchs bestehen.
  2. Anmeldung zur Insolvenztabelle: Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Schadensersatzanspruch zur Insolvenztabelle anzumelden. Gemäß § 174 der Insolvenzordnung (InsO) kann ein Gläubiger seine Forderung schriftlich beim Insolvenzverwalter anmelden. Der Insolvenzverwalter prüft dann, ob die Forderung berechtigt ist. Lässt der Insolvenzverwalter die Forderung unbestritten, gilt sie als widerspruchslos anerkannt. Diese Methode ist besonders dann von Vorteil, wenn der Insolvenzverwalter die Forderung nicht aktiv anerkennen möchte, aber auch keinen Widerspruch erhebt. Die Anmeldung zur Insolvenztabelle bietet somit eine formelle Möglichkeit, den Schadensersatzanspruch festzustellen und anschließend gegen den Haftpflichtversicherer geltend zu machen.
  3. Gerichtsurteil: Die dritte Möglichkeit, einen Schadensersatzanspruch festzustellen, besteht in der gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs. Ein rechtskräftiges Urteil stellt den Anspruch bindend fest. Allerdings kann dieses Verfahren zeitaufwendig und kostenintensiv sein. Zudem wird das Verfahren oft gestoppt, wenn der Schuldner insolvent wird, da die Insolvenzordnung ein Insolvenzeröffnungsverfahren vorsieht, in dem sämtliche Ansprüche geprüft und behandelt werden. In solchen Fällen kann es daher sinnvoll sein, auf die anderen beiden Methoden zurückzugreifen.
  1. Anmeldung des Anspruchs zur Insolvenztabelle gemäß § 174 InsO

Zunächst ist die Anmeldung des Schadensersatzanspruchs zur Insolvenztabelle gemäß § 174 InsO eine praktikable Lösung. Dieses Verfahren erfordert, dass der Geschädigte dem Insolvenzverwalter seine Forderung in Schriftform übermittelt. Die Forderungsanmeldung muss eine genaue Bezeichnung des Anspruchs sowie eine Begründung enthalten, warum der Anspruch besteht.

Der Insolvenzverwalter wird die Forderung dann prüfen und entweder anerkennen oder bestreiten. Bleibt die Forderung unbestritten, gilt sie als anerkannt und kann in die Tabelle eingetragen werden. Ab diesem Zeitpunkt ist der Schadensersatzanspruch gegenüber dem Versicherer bindend festgestellt, und der Geschädigte kann gemäß § 110 VVG direkt gegen den Haftpflichtversicherer vorgehen.

Sollte der Insolvenzverwalter die Forderung bestreiten, bleibt dem Geschädigten die Möglichkeit, auf Feststellung der Forderung zu klagen. Ein positiver Ausgang dieses Verfahrens würde ebenfalls zur bindenden Feststellung des Anspruchs führen, allerdings zu höheren Kosten und einem längeren Zeitaufwand.

  1. Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Haftpflichtversicherer nach § 110 VVG

Nachdem der Schadensersatzanspruch bindend festgestellt wurde, kann der Geschädigte den Anspruch gemäß § 110 VVG gegenüber dem Haftpflichtversicherer geltend machen. Dieser Schritt ist entscheidend, da der Geschädigte ohne eine solche Feststellung keinen direkten Anspruch gegenüber dem Versicherer hat.

Die Geltendmachung erfolgt in der Regel durch eine schriftliche Forderungsanmeldung beim Versicherer, in der der Geschädigte die bindende Feststellung seines Schadensersatzanspruchs darlegt und die Zahlung der entsprechenden Summe verlangt. Sollte der Versicherer die Zahlung verweigern, bleibt dem Geschädigten nur die Möglichkeit, auf Erfüllung des Anspruchs zu klagen.

Ein wichtiges Detail in diesem Zusammenhang ist, dass die Ansprüche des Geschädigten gegenüber dem Versicherer den gleichen Bedingungen unterliegen wie die Ansprüche des Versicherungsnehmers. Das bedeutet, dass der Versicherer nur dann zur Zahlung verpflichtet ist, wenn die Schadensersatzforderung des Geschädigten innerhalb des Deckungsumfangs der Versicherungspolice liegt.

  1. Möglichkeit einer Klage gegen den Insolvenzverwalter

Sofern der Insolvenzverwalter die Forderung ablehnt oder bestreitet, besteht  die Möglichkeit gegen den Insolvenzverwalter vorzugehen und auf Feststellung des Anspruchs zu klagen. Sollte der Geschädigte in diesem Verfahren erfolgreich sein, wirkt der Titel auch gegenüber dem Haftpflichtversicherer.

Eine Klage gegen den Insolvenzverwalter hat den Vorteil, dass der Geschädigte einen rechtskräftigen Titel erlangt, der auch gegenüber dem Versicherer durchgesetzt werden kann. Allerdings ist dieser Weg in der Regel zeit- und kostenintensiver als die Anmeldung zur Insolvenztabelle.

  1. Fazit
  • 110 VVG bietet Geschädigten die Möglichkeit, trotz der Insolvenz eines Schuldners ihren Schadensersatzanspruch durchzusetzen, indem sie den Haftpflichtversicherer des Schuldners direkt in Anspruch nehmen. Um diesen Anspruch geltend zu machen, ist jedoch eine bindende Feststellung des Schadensersatzanspruchs erforderlich, die entweder durch ein schriftliches Anerkenntnis des Insolvenzverwalters, die Anmeldung zur Insolvenztabelle oder ein Gerichtsurteil erfolgen kann.

Die Anmeldung zur Insolvenztabelle gemäß § 174 InsO stellt dabei eine besonders praktikable Lösung dar, da sie es ermöglicht, den Anspruch formell und relativ kostengünstig feststellen zu lassen. Sollte der Insolvenzverwalter die Forderung bestreiten, kann eine Klage gegen ihn in Erwägung gezogen werden, deren Erfolg sich dann auch gegen den Haftpflichtversicherer durchsetzen lässt.

In jedem Fall erfordert die Durchsetzung von Ansprüchen in einem solchen Kontext eine sorgfältige rechtliche Prüfung und gegebenenfalls anwaltliche Unterstützung, um sicherzustellen, dass der Geschädigte am Ende nicht leer ausgeht. Die Regelungen des § 110 VVG bieten hierfür eine wertvolle Grundlage, die allerdings mit den spezifischen Vorschriften der Insolvenzordnung und des Versicherungsvertragsrechts abgestimmt werden muss.

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