Interview: „Ein guter Gesellschaftsvertrag ist Gold wert“ – sagen zwei, die es wissen müssen

Wenn Unternehmer sich zusammenschließen, ist der Gesellschaftsvertrag oft das Fundament des Erfolgs – oder der Ursprung späterer Konflikte. Wie sich Risiken vermeiden und Haftung klug regeln lassen, erklären zwei erfahrene Juristen aus Mainz: Rechtsanwältin Sinem Tükek und Rechtsanwalt Dr. André Natalello.

 Frau Tükek berät Unternehmen schwerpunktmäßig im Handels- und Gesellschaftsrecht sowie im privaten Baurecht. Ein besonderer Fokus liegt bei ihr auf der Vertragsgestaltung und -anpassung.

 Herr Dr. Natalello ist Partner der Kanzlei Hobohm Natalello Giloth und leitet die wirtschaftsrechtliche Abteilung. Er betreut Mandate im Bereich des Gesellschafts-, Arbeits-, Bank- und Baurechts.

 Im Interview sprechen sie über die rechtlichen Fallstricke bei Unternehmensgründungen, die Unterschiede zwischen GbR, GmbH und OHG und erklären, warum bei der UG der Zusatz „haftungsbeschränkt“ mehr ist als bloß ein einfaches  Wort.

Redaktion: Frau Tükek, Herr Dr. Natalello – warum heißt es oft, ein guter Gesellschaftsvertrag sei „Gold wert“?

RAin Sinem Tükek: Weil er in kritischen Momenten entscheidet, ob ein Unternehmen funktioniert – oder auseinanderfällt. Im besten Fall verhindert er Streit, sorgt für klare Zuständigkeiten und schützt die Beteiligten finanziell und rechtlich. Das ist gerade für junge Unternehmen oder Start-ups entscheidend.

RA Dr. André Natalello: Der Gesellschaftsvertrag ist das Fundament jeder Personen- oder Kapitalgesellschaft. Was dort nicht sauber geregelt ist, fällt früher oder später auf die Beteiligten zurück – sei es im Streitfall, bei der Nachfolge oder bei Haftungsfragen. Das Motto „Gold wert“ ist da keine Übertreibung.

Redaktion: Lassen Sie uns konkret über die Haftung sprechen. Was gilt im „Normalfall“ bei einer GbR?

RAin Tükek: Bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) haften alle Gesellschafter unbeschränkt, persönlich und gesamtschuldnerisch. Das bedeutet: Jeder kann für die gesamten Schulden der Gesellschaft in Anspruch genommen werden – mit seinem Privatvermögen.

RA Natalello: Vielen Gründern ist das nicht bewusst. Eine mündlich vereinbarte GbR entsteht schneller, als man denkt – und mit ihr eine sehr weitreichende Haftung. Deshalb ist auch hier ein schriftlicher, professioneller Vertrag wichtig. Wir haben viele Mandanten, die sich im Nachhinein ärgern, dass ihnen das zu Beginn keiner verraten hat.

Redaktion: Wie unterscheidet sich die Situation bei einer GmbH oder OHG?

RAin Tükek: Bei der GmbH ist die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt – nicht auf das Privatvermögen der Gesellschafter. Das ist ein zentraler Vorteil. Allerdings: Der Schutz greift nur, wenn die GmbH auch ordentlich geführt wird. Bei Pflichtverletzungen kann die sogenannte Durchgriffshaftung drohen.

RA Natalello: Die OHG ist – wie die GbR – eine Personengesellschaft. Das bedeutet ebenfalls: volle persönliche Haftung der Gesellschafter, auch hier gesamtschuldnerisch. Viele Unternehmer wählen sie wegen der Flexibilität, vergessen aber das Haftungsrisiko. § 15 HGB spielt hier eine wichtige Rolle. Darauf weisen wir bei unseren Neuunternehmern stets hin.

Redaktion: Was genau regelt § 15 HGB?

RA Natalello: § 15 HGB schützt den redlichen Dritten. Es geht um den öffentlichen Glauben an das Handelsregister. Wer dort nicht eingetragen ist, kann bestimmte Rechte verlieren – etwa bei Eintritt oder Ausscheiden von Gesellschaftern. Das zeigt: Eine kluge Vertragsgestaltung inklusive sauberer Registereinträge ist unerlässlich.

Redaktion: Wie kann man sich im Gesellschaftsvertrag konkret absichern?

RAin Tükek: Durch gut durchdachte Regelungen zu Einlagen, Stimmrechten, Gewinnverteilung, Ausscheiden von Gesellschaftern, Konkurrenzverboten und Konfliktlösung. Auch Abfindungsregeln und Erbfolgeregelungen sind essenziell. All das lässt sich individuell gestalten. Bei der Erstellung des Vertrages geht es dann um zwei Fragen: was will der Mandant und – vor allem – was braucht er.

RA Natalello: Der Standardvertrag aus dem Internet deckt das meist nicht ab. Gerade bei mehreren Gesellschaftern oder komplexeren Vorhaben empfiehlt sich anwaltliche Begleitung. Auch eine sogenannte „salvatorische Klausel“ und Schiedsvereinbarungen können späteren Streit vermeiden. Wenn man neu im Business ist, sagt einem dies beispielsweise nichts.

Redaktion: Was ist bei der UG (haftungsbeschränkt) besonders zu beachten?

RA Natalello: Die UG ist eine „Mini-GmbH“ – attraktiv, weil sie mit 1 Euro Stammkapital gegründet werden kann. Aber: Der Zusatz „haftungsbeschränkt“ muss zwingend im Namen geführt werden – und zwar vollständig. Das hat der BGH jüngst nochmals deutlich gemacht.

RAin Tükek: Genau. Wer den Zusatz „haftungsbeschränkt“ weglässt oder verkürzt, handelt irreführend. Im schlimmsten Fall führt das zur persönlichen Haftung der Gesellschafter – also genau das, was eigentlich vermieden werden soll.

In einem unserer aktuellen Verfahren wurde genau dieser Punkt zentral. Dort versuchte eine Vertragspartei, die Geschäftsführer mehrerer UGs persönlich haftbar zu machen – mit dem Argument, es fehle an dem Hinweis.

RA Dr. Natalello: Der Vorwurf lautete also: Weil die Gesellschafter den Zusatz „haftungsbeschränkt“ nicht führten, müsse man diese auch mit ihrem Privatvermögen in Anspruch nehmen können. Das ist juristisch – insbesondere mit Blick auf das neue BGH-Urteil – durchaus denkbar, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere dem schutzwürdigen Interesse der Gegenseite.

RAin Tükek: In diesem Fall konnte jedoch sehr deutlich gemacht werden, dass die Verträge von Anfang an im Namen der künftig eingetragenen UGs abgeschlossen wurden – und dass die andere Seite auch von der Haftungsbeschränkung der UG Kenntnis hatte. Von einer Schutzwürdigkeit konnte also nicht ausgegangen werden.

RA Dr. Natalello: Der Fall zeigt exemplarisch, wie wichtig es ist, nicht nur sauber zu gründen, sondern auch transparent und rechtlich klar in der Kommunikation mit Vertragspartnern zu sein. Die UG schützt nur dann zuverlässig vor persönlicher Haftung, wenn sie von Anfang an rechtlich korrekt eingebunden wird. Dazu gehört auch, dass man den Zusatz „haftungsbeschränkt“ vollständig führt und stets klarstellt, dass Verträge im Namen der Gesellschaft – und nicht privat – abgeschlossen werden.

Redaktion: Ihr abschließender Rat an Gründerinnen und Gründer?

RAin Tükek: Nicht am falschen Ende sparen. Ein professioneller Gesellschaftsvertrag kostet am Anfang Geld – spart aber später oft das Vielfache an Zeit, Geld und Nerven.

RA Natalello: Und: Lassen Sie Verträge regelmäßig überprüfen – gerade bei Veränderungen im Gesellschafterkreis. Das Recht entwickelt sich weiter, wie aktuelle Urteile zeigen. Wer stillsteht, riskiert später Überraschungen.

Redaktion: Herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

Die Kanzlei Hobohm Natalello Giloth berät Unternehmen umfassend in wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen – von der Gründung bis zur Umstrukturierung. Gerade beim Aufbau eines neuen Unternehmens ist es für Gründerinnen und Gründer unerlässlich, frühzeitig qualifizierten rechtlichen Beistand hinzuzuziehen. Wer von Anfang an auf fundierte Beratung setzt, kann nicht nur rechtliche Risiken minimieren, sondern legt auch den Grundstein für langfristigen unternehmerischen Erfolg.

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